Knochenleitung

Topic Progress:

1. Was ist Luftleitung und was ist Knochenleitung?

Schall wird sowohl über Luftleitung als auch über Knochenleitung wahrgenommen. Bei der Luftleitung werden die Schallwellen vom Außenohr über die Ohrmuschel aufgenommen und durch den Ohrkanal zum Trommelfell geführt. Das Trommelfell ist die Grenze zwischen Außenohr und Mittelohr und wird durch die auftreffenden Schallwellen in Schwingungen versetzt. Mit dem Trommelfell stehen die Gehörknöchelchen in Verbindung (Hammer, Amboss Steigbügel) über diese die Trommelfellschwingungen an das ovale Fenster, eine Membran die das Mittelohr vom Innenohr abschließt, weitergeleitet werden. Über die Membran des ovalen Fensters gelangen die Schwingungen zur Cochlea (Hörschnecke). In der Cochlea werden über eine Flüssigkeit die sich darin befindlichen Hörsinneszellen (steife Härchen) frequenzabhängig angeregt und lösen einen elektrischen Impuls aus. Diese werden über den Hörnerv an das Hörzentrum im Gehirn weitergeleitet.

Ohr Anatomie

Die Knochenleitung ist die Übertragung von Tönen, Klängen, Geräuschen, Lauten, etc. in Form von Vibrationen über den Schädelknochen unter Umgehung des Außenohrs und des Mittelohrs, direkt an das Innenohr zur Cochlea und dessen Hörsinneszellen.

Luftleitung

Abb: Luftleitung

Knochenleitung

Abb: Knochenleitung

Die Knochenleitung ist der Grund, warum der Klang der eigenen Stimme, über eine Aufnahme gehört, anders wahrgenommen wird, als wenn man selber spricht. Beim Hören der eigenen Stimme wird der subjektive Höreindruck von den durch die Knochen geleiteten Schallanteilen erheblich mitgeprägt. Nach Ausschaltung dieses Knochenschallanteils, zum Beispiel bei der akustischen Wiedergabe der eigenen Stimme von einem Tonträger, bemerkt man deutlich die gehörte Veränderung. Es fehlt der Anteil über die Knochenleitung, den wir beim Sprechen normalerweise mithören.

Ludwig van Beethoven, der berühmte Komponist des 18. Jahrhunderts, der fast völlig taub war, entdeckte die Knochenleitung. Beethoven fand einen Weg, um den Klang des Klaviers durch seinen Kieferknochen zu hören, indem er in einen Stab der an seinem Klavier befestigt war biss. Die Schwingungen des Klaviers wurden über den Stab und den Zähnen an den Kiefer übertragen und er konnte somit die Töne des Klaviers wahrnehmen. Dies hat bewiesen, dass Klang unser Gehör nicht nur über das Trommelfell, sondern auch über den Schädelknochen erreichen kann.

2. Unterschiede bzw. Vor-/Nachteile Knochenleitung vs. Luftleitung


Vorteile

  • Umgehung von Außenohr und Mittelohr.
  • Versorgung bei Mittelohr- und Außenohrschädigungen möglich (Schallleitungsschwerhörigkeit).
  • Praktisch keine (zusätzliche) Gehörschädigung aufgrund von zu lauten Pegeln möglich.
  • Kommunikationsmöglichkeit bei Anwendungen, bei welchen das Ohr frei bleiben oder durch einen Gehörschutz geschützt werden muss (Militär, Einsatzkräfte, Verkehr, Tauchen, Fabriken, …).
  • Multimedia – Hören von Musik ohne In-Ear beziehungsweise Ohrhörer. Das Ohr bleibt frei und die Wahrnehmung der Umwelt wird nicht reduziert. Ebenfalls entfällt die Tatsache etwas „Unangenehmes“ im Ohr zu haben.

Nachteile

  • Eingeschränkte Übertragungsfrequenzbandbreite und Übertragungsleistung durch die physischen Gegebenheiten und Eigenschaften von Haut und Schädelknochen.
  • Leichteres Übersprechen von einem Ohr auf das andere Ohr durch die Vibrationsübertragung des Signals über den Schädelknochen.


3. Wann ist ein Knochenleitungshörsystem /-hörgerät sinnvoll?

In vielen Fällen sind Schäden am Trommelfell der Grund für eine Schwerhörigkeit. Da die Knochenleitung unabhängig vom Trommelfell ist, können in solchen Fällen Hörgeschädigte über Knochenleitung gut versorgt werden und wieder hören. Ein Knochenleitungshörsystem übernimmt die Rolle des Trommelfells und dient als Vibrationsüberträger an das Innenohr.

Im Allgemeinen kann ein Hörverlust in 3 Kategorien beschrieben werden:

  • Schallleitungsschwerhörigkeit (SL-SH)
  • Schallempfindungsschwerhörigkeit (SE-SH)
  • kombinierte Schwerhörigkeit


Von einer Schallleitungsschwerhörigkeit (auch konduktive Schwerhörigkeit) spricht man bei einer Störung der Schallübertragung im Außenohr oder im Mittelohr. Die Übertragung der Luftleitung ist somit beeinträchtigt. Über Knochenleitung ist es möglich Schallleitungsschwerhörigkeit zu kompensieren. Man unterscheidet zwischen dem Versteifungstyp, Dämpfungstyp und Summationstyp/Blockierungstyp.

Bei einer Schallempfindungsschwerhörigkeit (auch sensorineurale Schwerhörigkeit) ist das Innenohr bzw. die Cochlea von einer Schädigung betroffen. Die Schwingungen können von den Hörnerven nicht mehr richtig erfasst und an das Gehirn weiter geleitet werden. In besonderen Fällen ist die Knochenleitung eine adäquate Versorgung – siehe Punkt 3.4.

3.1. Schallleitungsschwerhörigkeit (SL – SH)


Versteifungstyp

Hier handelt es sich um eine Versteifung des Gehörknöchelchenkette des Mittelohres oder um eine gestörte Tubenfunktion mit Unterdruck im Paukenraum. Es kann ein Luftleitungshörverlust beobachtet werden. Dieser erstreckt sich vor allem auf den Tief- und Mitteltonbereich. Mögliche pathologische Ursachen:

  • Steife Gehörknöchelchenkette
  • Tubenverschluss und Unterdruck im Paukenraum
  • Beginnende Otosklerose
  • Steife Trommelfellnarbe

Audiogramm VersteifungstypAbb: Beispiel eines Audiogramms für einen Versteifungstyp

Dämpfungstyp

Hier ist ein Hochtonverlust in der Luftleitung beobachtbar, zum Beispiel durch einen möglichen Erguss im Mittelohr. Hohe Frequenzen werden gedämpft, wogegen der Tieftonbereich weniger betroffen ist. Mögliche pathologische Ursachen:

  • Mittelohrerguss
  • Schlaffe Trommelfellnarbe
  • Fibrosierte Gehörknöchelchenkette
  • Cerumenpfropf

Audiogramm DämpfungstypAbb: Beispiel eines Audiogramms für einen Dämpfungstyp

Summationstyp/Blockierungstyp

Es handelt sich hier um eine Kombination aus Versteifung und Dämpfung des Mittelohres. Bei der Blockade des Mittelohres (z.B. fortgeschrittene Otosklerose) kann eine frequenzunabhängige Schallleitungsstörung (pantonale Schallleitungskomponente) beobachtet werden. Mögliche pathologische Ursachen:

  • Fortgeschrittene Otosklerose
  • Unterbrechung der Gehörknöchelchenkette

Audiogramm Summationstyp / BlockierungstypAbb: Beispiel eines Audiogramms für einen Summationstyp / Blockierungstyp

Carhart-Senke

Die sogenannte Carhart-Senke kann bei Otosklerose auftreten. Hier kommt eine Verschlechterung der Knochenleitungshörschwelle bei reiner Mittelohrschwerhörigkeit dazu, und zwar im mittleren Frequenzbereich bei ca. 2 kHz. Sie tritt auf, wenn die Beweglichkeit des Steigbügels durch die otosklerotischen Veränderungen vollkommen aufgehoben ist.

Audiogramm Carhart-Senke bei VersteifungstypAbb: Beispiel eines Audiogramms bei einer Carhart-Senke / Versteifungstyp

3.2. Kombinierte Schwerhörigkeit

Sowohl ein Knochenleitungshörverlust als auch ein Luftleitungshörverlust ist vorhanden, wobei die Luftleitung unter jener der Knochenleitungsschwelle liegt.

  • Beträgt der Abstand zwischen Luft- und Knochenleitungshörverlust zwischen 25 und 40 dB, dann sind Luft- und Knochenleitungshörsysteme geeignet.
  • Beträgt der Abstand zwischen Luft- und Knochenleitungshörverlust > 40 dB, dann sind Knochenleitungshörsysteme am besten geeignet.

Audiogramm - 3.2. Kombinierter SchwerhörigkeitAbb: Beispiel eine kombinierten Schwerhörigkeit

3.3. physische Gründe / Erkrankungen

  • Atresia Auris Congenita (Ohratresie) – Gehörgangsverschluss
  • Mikrotie – Ohrmuschelfehlbildung
  • Otosklerose
  • deformierter Ohrkanal
  • Otitis Media Chronica – Mittelohrentzündung
  • allergische Reaktion auf Otoplastiken
  • nach Mittelohroperation
  • chronische Gehörgangsentzündung
  • Ohrenausfluss
  • einseitige Ertaubung (SSD) / einseitiger Hörverlust


3.4. kosmetische Gründe

  • kein Ohrpassstück gewünscht
  • keine „Verstopfung“ des Ohrkanals gewünscht
  • keine Irritationen im Ohrkanal durch Versorgung von Luftleitungshörgeräten
  • mögliche Kombination von Hörhilfe und Sehhilfe in einer Anwendung (Hörbrille)

BHM Knochenleitungshörbrille
Abb: Beispiel einer eleganten, klassischen BHM-TECH contact star evo1 Knochenleitungshörbrille


4. Das Knochenleitungshörsystem


4.1. Was ist ein Knochenleitungshörsystem und wie funktioniert es?

Bei einem Knochenleitungshörsystem bzw. Knochenleitungshörgerät handelt es sich um eine Hörhilfe, die, wie der Name bereits verrät, auf dem Prinzip der Knochenleitung beruht. Charakteristisch für diese Form von Hörhilfen ist, dass diese Geräte anstatt des Schalls Vibrationen erzeugen, die direkt auf den Schädelknochen übertragen werden. Diese Systeme gibt es entweder als Implantat-Ausführungen (knochenverankertes Implantat, Magnetimplantat) oder auch als nicht implantierte Varianten in Kombination mit einer Brille oder in Miniaturform, eingebaut in Kopfbedeckungen, Haarreifen, Haarbändern, etc. Die Knochenleitungshörsysteme werden primär hinter dem Ohr im Bereich des Mastoids getragen.

Knochenleitungshörsysteme nehmen Schallwellen auf, verstärken sie und wandeln sie in Vibrationen um. Die Vibrationen werden von der Cochlea (der Hörschnecke) als Töne aufgenommen, wodurch jegliche Hindernisse im mittleren oder äußeren Ohr umgangen werden.

Knochenleitungssysteme eignen sich am besten bei Schallleitungs- bzw. kombinierter Schwerhörigkeit oder bei Hörverlust in einem Ohr (einseitige Schwerhörigkeit). Sie können zudem Menschen mit kombinierter Schwerhörigkeit helfen, die keine konventionellen Luftleitungshörgeräte im oder hinter dem Ohr tragen können.

Technik

Die Knochenleitungshörsysteme verfügen über ein bis mehrere Mikrofone über diese das Nutzsignal aufgenommen wird. Bei Zwei- und Mehrmikrofongeräten wird der Schall aus verschiedenen Richtungen aufgenommen und verarbeitet. So ist es möglich, diese Hörgeräte mit Richtwirkung zu betreiben, was ideal ist bei Unterhaltungen in geräuschreicher Umgebung. Ebenfalls bieten die meisten Geräte die Möglichkeit, Signale induktiv über eine Telefonspule zu empfangen. Die Signale werden über einen eingebauten und individuell programmierbaren Audioprozessor verarbeitet. Für eine individuelle Anpassung des Hörsystems steht eine Vielzahl an Parametern zur Verfügung. Das inkludiert diverse Hoch- und Tiefpassfilter, Frequenzfilter und Equalizer, Kompressionseinstellungen und Verstärkungseinstellungen, bis hin zu Rückkopplungsunterdrückung und Rauschreduktion. Zur Programmierung wird das Hörsystem über ein Programmierkabel und einer Programmierschnittstelle mit dem Computer verbunden. Über die entsprechende Fitting Software werden die Hörgeräteparameter eingestellt. Nach der Signalverarbeitung im Audioprozessor wird das Signal zum Knochenleitungshörer (Wandler) geleitet, welcher dieses über Vibrationen an den Schädelknochen weitergibt. Versorgt werden die Hörsysteme mit herkömmlichen Hörgerätebatterien.

Da bei Knochenleitungshörern durch die Vibrationen eine Kraft auf den Schädelknochen übertragen wird, spricht man bei Knochenleitung vom Kraftpegel. Hingegen bei Luftleitungshörsystemen spricht man vom Schalldruckpegel. Somit wird bei Knochenleitungssystemen der Ausgangskraftpegel in dB OFL (Output Force Level) und bei Luftleitungssystemen der Schalldruckpegel in dB SPL (Sound Pressure Level) gemessen.

4.2. Typen von Knochenleitungshörsystemen

Bei knochenverankerten Knochenleitungsimplantaten wird eine Titanschraube operativ in den Schädelknochen eingesetzt und das Knochenleitungsgerät an dieser Titanschraube befestigt (perkutan).

Des Weiteren gibt es Knochenleitungsimplantate die durch Magnetimplantate realisiert werden. Dazu wird das Magnetimplantat unter die Haut in den Schädelknochen implantiert und dann das Knochenleitungsgerät mittels einer magnetischen Platte bzw. Scheibe an das Magnetimplantat geheftet (transkutan aktiv / passiv).

Nicht implantierte Knochenleitungshörsysteme (transkutan passiv) werden mit Hilfe diverser Tragemöglichkeiten (Brillen, Haarbänder, etc.) getragen und liegen mit einem gewissen Anpressdruck auf dem Kopf auf. Hier ist kein operativer Eingriff bzw. ein Implantat notwendig.

Passive, transkutane Knochenleitungssysteme:

Zu den passiven, transkutanen Knochenleitungssystemen zählen die Magnetimplantate die im Schädelknochen verankert unter der geschlossenen Haut liegen. Das Gerät wird über eine Magnetankopplung auf die Haut gesetzt. Der Knochenleitungshörer befindet sich dabei in dem Gerät und überträgt die Vibrationen bzw. Signale über die Haut auf den Schädelknochen.

Nicht-implantierte Knochenleitungssysteme (Hörbrillen, etc.) zählen ebenfalls zu den passiven, transkutanen Knochenleitungssystemen. Hier liegt der Knochenleitungshörer auf der Haut des Kopfes mit einen gewissen Anpressdruck auf, und die Signale werden ebenfalls über die Haut auf den Schädelknochen übertragen.

Bei beiden Varianten befindet sich der Knochenleitungshörer außerhalb des Schädels und der Signalweg führt über die Haut auf den Schädelknochen.

Perkutane Knochenleitungssysteme

Zu den perkutanen Knochenleitungssystemen zählen die knochenverankerten Implantate. Der Knochenleitungshörer und somit Vibrations- und Signalüberträger sitzt dabei außerhalb des Schädels im Gehäuse des Gerätes. Das Gerät wird auf eine im Schädelknochen implantierte Schraube geklippt. Die Vibrations- und Signalübertragung erfolgt hier direkt auf den Schädelknochen. Die Haut spielt hier keine Rolle.

Aktive, transkutane Knochenleitungssysteme

Zu den aktiven, transkutanen Knochenleitungssystemen zählt die unter der Haut implantierte Komponente mit integriertem Knochenleitungshörer. Das heißt, der Vibrations- und Signalüberträger ist ebenfalls implantiert und überträgt direkt auf den Schädelknochen. Über dem Implantat ist die geschlossene Haut, und das Gerät wird über Magnetankopplung auf die Haut aufgesetzt. Es existiert keine Schraubenverankerung durch die Haut. Die Signalübertraqung erfolgt hier über den außen sitzenden Verstärker auf elektrischem Wege (z.B.: induktiv) zum Implantat.

5. Hintergründe, Daten & Fakten

Wie bereits zuvor erwähnt, differenziert die Medizin zwei Arten von Hörminderungen: die Schallleitungsschwerhörigkeit auf der einen und die Schallempfindungsschwerhörigkeit auf der anderen Seite. Wenn beide Hörminderungen gleichzeitig auftreten, spricht man von einer kombinierten Schwerhörigkeit. Die häufigste Hörbeeinträchtigung ist die kombinierte Schwerhörigkeit. Am seltensten tritt eine reine Schallleitungsschwerhörigkeit auf.

Es ist festzuhalten, dass keine weiteren konkreten Daten und Zahlen, speziell zu Österreich und Deutschland zu finden sind. Ebenso wenig gibt es Informationen darüber, wie viele Menschen mit Knochenleitungshörgeräten versorgt werden.

Aus diesem Grund legen wir den Fokus auf jene Hörverluste und physischen Krankheiten, bei welchen sich die Anwendung eines Hörsystems auf Basis Knochenleitung anbietet. Knochenleitungshörgeräte finden bei einer Schallleitungsschwerhörigkeit, bei einer kombinierten Schwerhörigkeit als auch bei diversen physischen Erkrankungen (Ohrmissbildungen, chronische Mittelohrentzündungen mit häufig nässenden Ohren, aber auch Otosklerose oder nach häufigen Mittelohroperationen sowie wenn kein Operationswunsch besteht) Anwendung bzw. sind bestens geeignet.[1]

5.1. Die Schallleitungsschwerhörigkeit

Von einer Schallleitungsschwerhörigkeit spricht man, wenn die Weiterleitung der Laute vom Außen- und Mittelohr zum Innenohr nicht mehr funktioniert. In den meisten Fällen ist diese Dysfunktion nur vorübergehend und kann mittels ärztlicher Hilfe behandelt werden. Es ist daher wichtig, unverzüglich mit der medizinischen Behandlung zu beginnen.

Ursachen einer akuten Schallleitungsschwerhörigkeit, auch konduktive Schwerhörigkeit genannt, sind die Blockierung des äußeren Ohrkanals, oftmals durch Ohrenschmalz (übermäßige Cerumenbildung), Entzündungen sowie ein perforiertes oder geplatztes Trommelfell. Aber auch Fremdgegenstände im Ohr, Zysten oder Tumore können ein möglicher Hintergrund sein.

Eine Schallleitungsschwerhörigkeit des Mittelohrs ist oftmals durch eine so genannte Otitis Media (chronische Mittelohrentzündung) oder Leimohr (Ansammlung von Flüssigkeit hinter dem Trommelfell) sowie auch durch Tumore oder Fehlbildungen verursacht.[2]

5.2. Die kombinierte Schwerhörigkeit

Bei einem kombinierten Hörverlust liegt eine Schädigung am Außen- oder Mittelohr vor, als auch eine Beeinträchtigung in der Fähigkeit, Geräusche vom Innenohr an das Gehirn weiterzuleiten besteht. Hintergründe können ein Explosionstrauma, diverse Krankheiten oder Medikamente, genetische Veränderungen, ein Schädeltrauma, eine Fehlbildung des Innenohrs einschließend aller Ursachen einer Schallleitungsschwerhörigkeit (siehe dazu oben) sein. Symptome eines kombinierten Hörverlustes (ein- oder beidseitig) sind ein herabgesetztes Hörvermögen.[3] Konkrete Zahlen zu Betroffenen sind dazu leider nicht verfügbar.

5.3. Physische Erkrankungen


5.3.1. Atresia Auris Congenita (Ohratresie)

Die so genannte Ohratresie hat verschiedenste Erscheinungsformen und ist eine Fehlbildung der Gehörknöchelchen und des äußeren Ohres. Die Anomalien reichen von einem einfachen bindegewebig obliterierten, das heißt verschlossenen, äußeren Gehörgang mit fehlender Trommelfellanlage und Deformation von Hammer und Amboss bis zur vollständigen Atresie – dies bedeutet, der Gehörgang ist gar nicht angelegt, mit begleitender Mikrotie (Ohrmuschelfehlbildung). Bei beidseitiger Ohratresie ist die Anpassung von knochenleitenden Hörgeräten zur Überwindung des Schallleitungsblocks von oberster Priorität.[4]

5.3.2. Mikrotie – Ohrmuschelfehllbildung

Hier handelt es sich um eine Fehlbildung des externen Ohrs, wobei man 3 Grade (entsprechend der Schwere dieser Fehlbildung Mikrotie I, II & III) unterscheiden kann. Auch diese Krankheit hat verschiedene Erscheinungsformen – von kleineren Anomalien bis hin zu einer nur rudimentären Ausbildung der Ohrmuschelstruktur.[5]

Atresie und Mikrotie in Kombination

Diese angeborenen Fehlbildungen treten bei ungefähr bei ein bis zwei Fällen von 10.000 Geburten auf, können monaural oder binaural, isoliert oder als Teil eines Syndroms auftreten. Menschen mit Atresie und Mikrotie verfügen normalerweise über ein intaktes Innenohr, das heißt der Hörverlust beruht meist auf einer reinen Schallleitungsschwerhörigkeit und beträgt ungefähr zwischen 60 und 70 dB.[6] Eine Versorgung über die Knochenleitung bietet sich demnach an.

5.3.3. Otosklerose

Bei der Otosklerose kommt es zu Knochenumbauprozessen an der Cochleawand. Unter anderem kann hier auch der Steigbügel angegriffen und erfasst werden, so dass die Beweglichkeit eingeschränkt ist und dieser nicht mehr als Schallüberträger fungieren kann.[7] Als mögliche Ursachen werden Autoimmunprozesse, Masernvirus aber auch genetische, metabolische und hormonelle Ursachen definiert. Am häufigsten tritt Otosklerose zwischen 15 und 40 Jahren auf, wobei Frauen doppelt so oft betroffen sind, wie Männer. Mit einer Häufigkeit von 0,3 bis 0,4 % führt sie über eine Fixation des Steigbügels zur Schallleitungsschwerhörigkeit in den tiefen Frequenzen bis 40 dB.[8] Auch hier empfiehlt sich eine Versorgung mittels Knochenleitung.

5.3.4. Otitis Media Chronica (Mittelohrentzündung)

Die so genannte Otitis Media Chronica wird als chronische Mittelohrentzündung definiert, wobei die Medizin drei Typen unterscheidet. Charakteristisch für alle Formen ist eine Perforation des Trommelfells. Die Mittelohrentzündung ist trocken, wenn keine Zeichen einer aktiven Schleimhautentzündung erkennbar sind. Von einer nässenden Art spricht man, wenn eine Sekretion auftritt.

Anders als bei einer chronischen Mittelohrentzündung geht von einer Otits Media akuta (akute Mittelohrentzündung) bei entsprechender Behandlung kaum Gefahr aus. Eine Behandlung erfolgt von zuhause aus. Eine Erkältung, Allergien oder eine Entzündung der Atemwege können Auslöser sein. Wiederholte Mittelohrentzündungen können jedoch zu einer chronischen Form führen. Zudem ist eine Mittelohrentzündung die häufigste postnatale Ursache für Schwerhörigkeit bei Kindern.[9]

Laut einem Report der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die chronische Otitis Media ein wesentliches Gesundheitsproblem, quer über den ganzen Globus. Die WHO unterscheidet dazu vier Gruppen, basierend auf der Prävalenz[10] der Krankheit. Dabei ist anzumerken, dass in Industriestaaten wie den USA und England die Krankheit weit weniger oft auftritt (< 1 % Prävalenz), als etwa in Entwicklungsländer. Auffällig dahingehend ist auch, dass gewisse ethnische Gruppen, wie die Inuit oder die Aborigines in Australien eine außergewöhnlich hohe Prävalenz aufweisen (12 – 46% bzw. 12 – 25 %).[11] Bei Schallleitungsstörungen wie einer Otitis Media oder einer Otitis Externa (Details dazu unter Punkt 5.3.5) überwiegt das Hörvermögen über die Knochenleitung. Eine Versorgung mittels Knochenleitungshörsystemen ist daher angebracht.

5.3.5. Otitis Externa (Chronische Gehörgangsentzündung)

Laut einem Bericht der österreichischen Ärztekammer leiden rund zehn Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens an einer chronischen Gehörgangsentzündung. Am Häufigsten tritt sie bei Frauen zwischen 45 und 54 Jahren und bei Männern zwischen 65 und 74 Jahren auf. Bei Kindern ist der Altersgipfel zwischen sieben und zwölf Jahren. Die Otitis Externa bezeichnet eine Entzündung der Haut bzw. Unterhaut des äußeren Gehörganges sowie auch der Ohrmuschel. Das Trommelfell kann, muss aber nicht zwangsläufig betroffen sein. Ursachen einer solchen Entzündung können unter anderem Fremdkörper im Ohr sein, Fehlen von Cerumen oder auch Hautverletzungen im Gehörgang, durch welche Bakterien eindringen und eine Entzündung hervorrufen können.[12]

5.3.6. Einseitge Ertaubung

Auch bei einseitiger Ertaubung bietet sich eine Versorgung mittels Knochenleitung an. Verursacht wird eine einseitige Ertaubung durch Virusinfektionen, Kopf- oder Ohrverletzungen oder durch Morbus Ménière, einer Erkrankung des Innenohrs. Die Symptome sind unterschiedlich, zusätzlich zum Hörverlust haben Patienten oftmals Schwierigkeiten bei der Ortung von Geräuschen. Konkrete und realistische Zahlen zu Betroffenen sind auch bei dieser Erkrankung schwierig zu finden. Für die USA nimmt man an, dass jährlich etwa 60 000 neue Fälle auftreten, in England sind es schätzungsweise an die 9000 Fälle jährlich.[13]

Quellen

  1. Vgl. https://www.welches-hoergeraet.de/ich-hore-schlecht-jeder-sechste-in-deutschland-ist-schwerhorig-108.html
  2. Vgl. www.hear-it.org, www.hno-aerzte-im-netz.de, www.welches-hoergeraet.de
  3. Vgl. http://www.hear-it.org/de/kombinierte-schwerhorigkeit
  4. Vgl. https://www.luks.ch/fileadmin/_migrated/content_uploads/Atresie.pdf, http://www.karger.com/Article/ShowPic/273867/?image=000273867-1.jpg
  5. Vgl. https://www.researchgate.net/publication/228480608_Atresia_auris_congenita-wie_beraten_wann_behandeln
  6. Vgl. http://www.microtia-germany.com/mikrotie-atresie/
  7. Vgl. http://www.gesundheit.de/krankheiten/hals-nasen-ohren/schwerhoerigkeit/otosklerose-verlauf-und-prognose, https://www.aerzteblatt.de/pdf/108/25/m433.pdf
  8. Vgl. http://www.aerzteblatt.de/archiv/93893
  9. Vgl. http://medicalforum.ch/docs/smf/archiv/de/2011/2011-35/2011-35-182.pdf, http://www.hear-it.org/de/otitis-media-4, http://www.apotheken-umschau.de/Mittelohrentzuendung-akut
  10. Prävalenz lt. Duden: Rate der zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitabschnitt einer bestimmten Krankheit Erkrankten (im Vergleich zur Zahl der Untersuchten).
  11. Vgl. http://www.who.int/pbd/deafness/en/chronic_otitis_media.pdf
  12. Vgl. http://www.aerztezeitung.at/fileadmin/PDF/2012_Verlinkungen/State_Otitis.pdf
  13. Vgl. http://www.hear-it.org/de/Einseitige-Taubheit
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